PRESSEARTIKEL, VERANSTALTUNGSBERICHTE, VERÖFFENTLICHUNGEN etc.

 

Artikel vom 15.3.2009 in der tz München:
Quelle: http://www.tz-online.de/aktuelles/bayern/tz-ich-muss-jeden-cent-zweimal-umdrehen-101869.html

Fall Zumwinkel empört Rentner wie Martin Löwenberg (82):
„Ich muss jeden Cent zweimal umdrehen“
Satte 20 Millionen Euro Sofortrente bekommt Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel. 20 Millionen! Alleine beim Gedanken an diese unglaubliche Zahl kann Rentner Martin Löwenberg nur den Kopf schütteln.

 

 

 

 

Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus 2007
Zuletzt bearbeitet am 26.03.2007 um 22:04:29 Uhr von Julian Schulz (Original von Florian Etterer)
Die beiden Zeitzeugen im Gespräch mit Schülern. [Foto: MSB] Am 22. März 2007 fand der jährliche Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus statt, bei dem das Rupprecht-Gymnasium dieses Jahr gleich zwei Zeitzeugen berüßen durfte, nämlich Michael Finkenstaedt und Martin Löwenberg, die uns die Situation der damaligen Zeit schilderten. Der Gedenktag wurde in Zusammenarbeit mit dem Münchner Schülerbüro verantstaltet, dessen Mitglieder die Veranstaltung auch moderierten. An dem Gedenktag nahmen alle Schüler der Oberstufe (Klassen:11-13) teil.



Martin Löwenberg [Foto: MSB]
Martin Löwenberg wurde 1925 in Bresslau (Schlesien) geboren. Da sein Vater Jude war, wurde er bereits früh das Opfer von Ausgrenzungen. Seine Kindheit wurde von mehreren Ereignissen geprägt: 1932 wurde die Kindergruppe, in der er war, von der Hitlerjugend gestürmt, die daraufhin den Leiter der Gruppe vor den Augen der Kinder verprügelte. 1936 wurde er vom Direktor von einem Appell auf dem Schulhof verwiesen mit der Begründung, er gehöre einer minderwertigen Rasse an. Nach der Schule fing er eine Landwirtschaftslehre an, bei der er nach einem Jahr entlassen wurde, weil er „Halbjude“ war. Daraufhin machte er seinen Gesellen als Sattler und Polsterer. Er half Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, indem er ihnen Lebensmittelmarken oder Essen brachte. Als er einmal dabei erwischt wurde, wurde er in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert und musste Zwangsarbeit leisten. Martin Löwenberg wurde am 7. Mai 1945 befreit.

Martin Löwenberg und Michael Finkenstaedt konnten den Schüler des Rupprecht-Gymnasiums die Ereignisse dieser Zeit anschaulich vermitteln, in einer lebhaften Diskussion wurden darüber hinaus aber auch aktuelle gesellschaftspolitische Fragen behandelt. Wir hoffen, dass uns diese Veranstaltungen auch in Zukunft noch erhalten bleiben.


Die AG-Homepage

 

 

VVN/BdA Kreisverband Augsburg
Dokumentation (Broschüre)
Martin Löwenberg: Ein revolutionäres Leben im Kampf gegen Faschismus und Krieg


Broschüre herunterladen (PDF)

 

 



Martin Löwenberg aktiv wie eh und je!
Quelle: Rundbrief der DKP München, Juli 2007

Zu seinem 75. Geburtstag bekam Martin Löwenberg die Auszeichnung „München leuchtet“.

Jetzt ist der antifaschistische Zeitzeuge 82 und weiter unermüdlich dabei, die Erfahrungen seines Lebens mit Faschismus und Krieg der Jugend zu vermitteln.

Beiläufig erzählte er uns in einem Telefongespräch am 28. Juni, dass er allein in den letzten 12 Monaten in 40 Schulen aufgetreten ist und auch dafür geehrt wurde.

Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank, Martin!

 

 

6.5.2006 Kundgebung gegen Faschismus in Landshut
Quelle: Indymedia

Auch wenn dieses Jahr die mediale Aufmerksamkeit geringer war und die Jahreszahl nicht ganz so rund, haben in Landshut (Niederbayern) ca. 120 Personen an einer Kundgebung zur Erinnerung an den 61. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus teilgenommen. Die Veranstaltung von VVN/BdA KV Landshut, Infoladen Landshut und dem [Forum Autonomer Umtriebe Landshut] war ein voller Erfolg. Insbesondere die Rede des Holocaustüberlebenden Martin Löwenberg stieß auf reges Interesse, sowohl bei den KundgebungsteilnehmerInnen als auch bei zufällig vorbeilaufenden Passanten.
Um 15.00 Uhr begann pünktlich die Kundgebung, da vom Ordnungsamt einige Tage vorher mitgeteilt wurde, dass während unserer Kundgebung eine Blaskapelle durch die Altstadt ziehen würde und wir doch pünktlich anfangen sollten, damit es zu keinen gegenseitigen Störungen käme. Bei strahlendem Sonnenschein eröffnete Martin Löwenberg mit seiner Rede die Kundgebung. Er berichtete von seinen eigenen Erfahrungen während des Holocausts und von seiner Befreiung durch die Rote Armee. Auch die aktuellen revisionistischen und rassistischen Diskurse der Herrschenden, die sich damit als Stichwortgeber für die Faschisten betätigen wurden von ihm kritisiert. Während der Rede marschierte nun plötzlich die besagte Blaskapelle in der Nähe der Kundgebung vorbei, was aber zum Glück nur eine kurzzeitige Lärmbelästigung bedeutete. Martin Löwenberg beendete seine Rede mit einem eindringlichen Appell an die Jugend gegen jede Form von Unterdrückung und Faschismus wachsam zu bleiben und sich auch nicht von Polizei, Richtern und sonstigen Spießern vom Widerstand gegen diese Zustände abhalten zu lassen!
Nach kurzer Musik-Pause folgte eine Rede VVN über die aktuelle Situation in Landshut. Darin wurde die Diskriminierung der VVN durch die Stadt (Stadt hat versucht öffentliche Räumlichkeiten für die VVN zu sperren und dabei mehrfach gerichtlich verloren) und die aktuellen Naziangriffe (Drohanruf gegen politisch aktive Landshuter, 2 Angriffe auf den Infoladen Landshut und das darin befindliche Büro von MdB Kornelia Möller [Linkspartei]) thematisiert. Es wurde noch ein bisschen Musik gespielt und anschließend die Kundgebung beendet. 20-30 Personen sind dann noch mit Transparenten, Fahnen und Sprechchören als Spontandemo durch die Stadt in den Infoladen gezogen, wo im Anschluß eine Befreiungsfeier stattfand.

 

"Furchtbare Juristen"? Geldstrafen wegen Störung eines Nazi-Aufmarsches gegen zwei Antifaschisten
Quelle: VVN/BdA NRW

Keine normale Verhandlung ist das am 22. September vor dem Münchener Amtsgericht: "Es ist der Saal so voll wie selten am Amtsgericht, und Richter Max Boxleitner lässt sogar zu, dass Zuhörer stehen. Für niemanden hier ist das eine normale Verhandlung – denn würde bei einer normalen Verhandlung der Angeklagte die Zuhörer draußen mit einer kleinen Ansprache begrüßen? Würde sich bei einer normalen Verhandlung ein Besucher das Buch „Furchtbare Juristen“ solange vor den Bauch halten, bis sich der Richter das verbittet? Und würde bei einer normalen Verhandlung der Angeklagte zu Beginn ein Manifest verlesen, das anhebt mit den Worten „Dies ist ein politischer Prozess“? Den Prozess hat der Angeklagte gewollt, gegen einen Strafbefehl über 1.500 Euro Einspruch eingelegt", schreibt die Süddeutsche Zeitung am 23. September über diesen Prozess.

Die Angeklagten, die hatten am 30.11.2002 gegen den Nazi-Aufmarsch gegen die damals in München gastierende Wehrmachtsausstellung protestiert. Die Nazi-Demo hatten Christian Worch und Martin Wiese angemeldet. Letzterer gehört zu der inzwischen verhafteten Neonazi-Truppe, die mehrere Kilo Sprengstoff gehortet zwecks Durchführung von Anschlägen auf jüdische, griechische und islamische Einrichtungen - darunter auch die feierliche Grundsteinlegung für das Neuen Jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrum - hatten.

Hier stehen aber nun Antifaschisten vor Gericht: Der Maschinenschlosser Christiaan B. hat bei der Demonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch Stadtpläne verteilt, auf denen die Route der Rechten eingezeichnet war. Das erfülle den Tatbestand der Störung einer genehmigten Versammlung, so die Staatsanwaltschaft München. Später wird gegen den ehemaligen KZ-Häftling Martin Löwenberg, Mitglied im bayerischen VVN-Landesvorstand und aufgrund seines politischen Engagements vom Oberbürgermeister mit der Medaille "München leuchtet" ausgezeichnet, verhandelt: Er soll den Gegendemonstranten zugerufen haben: „Es ist legitim, ja legal, sich den Totengräbern der Demokratie entgegenzustellen.“ Ihm wird derselbe Vorwurf gemacht. In den Augen des Gerichts war dies der Aufruf zu einer strafbaren Blockade des genehmigten Naziaufmarsches.. Martin Löwenberg hatte sein Verhalten so begründetet: „Die Nazi-Diktatur war nicht über Deutschland hereingebrochen, sie war keine unverhinderbare Katastrophe, sie ist von Menschen gemacht worden und kann auch daher von Menschen verhindert werden.“ Diese Lehre aus der Geschichte habe sich im Grundgesetz niedergeschlagen, das weit höher zu bewerten sei, als die Versammlungsfreiheit von Neonazis. 

„Rechtswidrig, wenn auch ohne Erfolg“ nennt der Richter die Taten: Die Blockade des Nazi-Aufmarsches gelang schließlich nicht. Verurteilt wurden beide - wegen Störung einer genehmigten Versammlung und Aufruf zu strafbaren Handlungen: Christiaan B. zu 900 Euro, Martin Löwenberg zu 300 Euro.

"Ich schäme mich für den Rechtsstaat, dass ich hier stehen muss, um diesen Mann zu verteidigen", hatte Rechtsanwältin Angelika Lex in ihrem Schlussplädoyer verkündet. Antifaschistisches Engagement der Bürger sei schließlich notwendig zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung, wenn Polizei wie Justiz hierzu offensichtlich nicht in der Lage seien. Im Polizeiprotokoll über Löwenbergs Rede sei beispielsweise von einer "KZ-Häftlingskleidung" die Rede gewesen. Ebenso habe Löwenberg über die "Reichspogromnacht" am 9. November 1938 geredet. Offensichtlich habe weder der Staatsschutz, noch der Staatsanwalt oder der Richter dies gelesen. "Wie kann ich einem Staat bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vertrauen, wenn die dafür zuständigen Beamten nicht einmal die geschichtlichen Grundbegriffe aus dem Unterricht der 3. Klasse kennen", so die Verteidigerin.

Mit Rufen wie "Nicht in meinem Namen" protestierten die antifaschistischen Zuschauer gegen dieses Urteil. Mehrere, darunter auch der Fraktionschef der Münchner Grünen, Siegfried Benker, wurden daraufhin vom Richter des Saales verwiesen. Am 6. Oktober steht Stadtrat Benker selber vor Gericht. Auch er hatte im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, den Naziaufmarsch zu verhindern. 

Das Buch "Furchtbare Juristen" hatte einer der Angeklagten in der Verhandlung hochgehalten. Ja, man fragt sich wirklich, ob diese Richter, die Antifaschisten verurteilen und gegen Rechte Milde walten lassen, nicht auch unter diesem Titel zu fassen sind???

 

 

 



Der Widerständige
Quelle: ver.di Publik 03 (März 2005), S. 24

Luitgard Koch

Ein Leben gegen den Faschismus. Für seine Verdineste im Kampf gegen Rechts erhielt der KZ-Überlebende Martin Löwenberg die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Zu Besuch bei einem Gewerkschafter der ersten Stunde

Martin Löwenberg rückt seine beige Schirmmütze zurecht und grient. "Das ist meine Parteimütze", sagt der 79-Jährige in seiner Wohnung im 13. Stock eines Hochhauses in München. "Auf die pass` ich besonders auf", schickt einen Blick zu seiner Frau Josephine, "damit ich sie auf keiner Veranstaltung vergesse." Ein Scherz, mit Parteien machte Martin Löwenberg in seinem Leben nicht die besten Erfahrungen.

Wenn es darum geht, Provokationen von Neonazis entgegenzutreten, steht er immer noch in der ersten Reihe. Mit seinem Ziel einer gewaltfreien und freiheitlichen Gesellschaftsordnung eckte Martin Löwenberg bereits in der jungen Bundesrepublik an. Das Gründungsmitglied des VVN, dem Zusammenschluss der Verfolgten des Naziregimes, sollte sich von seinen Gefährten trennen. In der Atmosphäre des "Kalten Krieges" galt der VVN als "Kommunistische Gefahr", die Adenauer-Regierung wollte die Vereinigung verbieten. Bis heute steht der VVN in jedem Verfassungsschutzbericht. Ein Unvereinbarkeitsbeschluss sollte den Genossen Löwenberg, der 1945 in die bayerische SPD eintrat, überzeugen. Aber der wollte sich nicht auseinanderdividieren lassen. Die Folge: Rauswurf bei der SPD. Für den einstigen Widerstandskämpfer, für den Solidarität keine Floskel bedeutet, sondern im NS-Lageralltag überlebensnotwendig war, besonders schmerzhaft. Soll er sich etwa von seiner eigenen Geschichte distanzieren?

Martin Löwenbergs Vater war Jude, seine Welt nicht das orthodoxe Judentum, sondern viel mehr die der Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Auch Mutter Käthe war SPD-Mitglied. Selbst hochschwanger ließ sie keinen Parteiabend aus. Obwohl Vater Julian früh starb, änderte sich nichts am politischen Geist des Elternhauses. Immer wieder war es in der Zeit des aufkeimenden Nationalsozialismus vor allem Löwenbergs Mutter, die klarstellte: "Mit Nazis wollen wir nichts zu tun haben." Geschickt verhinderte sie, dass ihr sportbegeisterter Sohn sich von der Hitler-Jugend einfangen ließ. "Die hatten Fußbälle aus Leder", erinnert sich Martin Löwenberg. Aber als auch der Martin von seiner Mutter einen Lederball bekam, machte das die Runde.

Doch die gnadenlose Ausgrenzung begann bereits. 1936, am Anfang des neuen Schuljahres, schickte ihn der Rektor beim Fahnenappell zurück ins Klassenzimmer. "Du gehörst nicht zur germanischen, sondern zur jüdischen, minderwertigen Rasse", verkündete der NS-Pädagoge vor allen Mitschülern. Weinend lief der Junge nach Hause. Seine Mutter tröstete ihn. Noch konnte der Jugendliche seinen geliebten Boxclub besuchen. Er galt als gefürchteter "Linksausleger". Weil er nicht mit der Rechten, sondern mit der Linken zuschlug, irritierte er seine Gegner.

Die fand er bald in der Hitler-Jugend. Als Hitler-Pimpfe einen Jungen kahl schoren, vermöbelte er zusammen mit seinen Freunden aus dem Boxclub die Bande. "Möchtest du nicht lieber was Vernünftiges tun, als nur zuschlagen", fragte ihn sein älterer Bruder Fred. Also unterstützte Martin seinen Bruder dabei, Brotmarken an Fremdarbeiter zu verteilen. Die Nazis erwischten ihn und er landete mit 18 Jahren zunächst im KZ Flossenbürg, danach in den Außenlagern und unterirdischen Rüstungsbetrieben Longwy-Villerupt und Leitmeritz zur Zwangsarbeit.

"Besonders Fred war es, der oft Weichen in meinem Leben gestellt hat", erzählt Martin Löwenberg. Fred starb vergangenes Jahr. Er fehlt ihm. "Er war mein Bruder, im wahrsten Sinne", sagt Martin Löwenberg bei der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille im Dezember. Doch Martin Löwenberg hat noch seine Josephine, die immer mehr war als nur Ehefrau. "Meine liebe Frau und Kampfgefährtin hat mich gebremst", würdigt er sie bei der Preisverleihung, "wenn ich mit dem Kopf durch die Wand wollte."

Vor allem wegen der Wiederbewaffnung gerät der überzeugte Pazifist mit den Genossen über Kreuz. Sein Engagement in der "Sozialistischen Aktion", die als Tarnorganisation der bereits verbotenen KPD gilt, bringt ihm 1954 zehn Monate Einzelhaft im Münchner Gefängnis Stadelheim. Damals ist seine Tochter gerade zwei Jahre alt. Ein weiterer Schlag, nachdem zwei Jahre zuvor der junge Münchner Gewerkschafter Philipp Müller ermordet wurde. Als Teilnehmer der Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung demonstriert der 20-jährige Schlosser Seite an Seite mit Löwenberg am Pfingstsonntag 1952 in Essen. Zwei Kugeln der Polizei treffen Philipp Müller, eine davon sein Herz. "Das war einer der schwersten Augenblicke", erzählt Martin Löwenberg immer noch sichtlich bewegt, "seiner Mutter gegenüberzustehen und ihr den Tod ihres Sohnes mitteilen zu müssen."

Nach seiner Haft engagiert sich Martin Löwenberg als Betriebsrat beim Nähmaschinenbauer Pfaff. Die gewerkschaftliche Arbeit zieht sich wie ein roter Faden durch seine Biografie, etliche Urkunden zeugen davon. "Wir können und wollen auf die weitere Hilfe der Mitgründer unserer Gewerkschaft nicht verzichten", schreibt dem Gewerkschafter der ersten Stunde zum 1. Mai 1974 der Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik. Noch immer ist Martin Löwenberg bei ver.di im Arbeitskreis gegen Rechts aktiv.

Nur seine Partei-Karriere kommt nicht voran. Sein bisher letzter Versuch, doch noch eine politische Heimat zu finden, waren die Grünen. In den 90ern verlässt er sie. Er will "kein linkes Feigenblatt für eine immer rechter werdende Partei sein".

 

 

 

Sprung in die Freiheit
Qulle: amnesty journal Mai 2005

Der ehemalige KZ-Häftling Martin Löwenberg ist bis heute aktiv gegen Rassismus und Neonazis. Ein Portrait von Anton Landgraf und Ferdinand Muggenthaler

Am 8. Mai 1945 springt Martin Löwenberg in die Elbe. Gerade hat die Rote Armee das Außenlager Leitmeritz befreit. In einer unterirdischen Fabrik musste Löwenberg hier für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten. Als ersten Akt seiner wieder gewonnenen Freiheit durchschwimmt der 20jährige den Fluss.

»Dieser Tag ist mir heilig«, sagt der heute 79jährige. Wenn er davon erzählt, spürt man immer noch die Aufbruchstimmung, die ihn damals erfüllte. Freilich kam zur Freude über die zurückgewonnene Freiheit die Trauer. Unzählige Lagerinsassen hatten das Ende der Nazi-Herrschaft nicht mehr erlebt. Im Frühjahr 1945 war das Lager hoffnungslos überbelegt – Tausende weiterer Häftlinge waren auf Todesmärschen aus anderen Lagern, darunter aus Auschwitz, hierher verschleppt worden. Nach der Befreiung starben noch Hunderte an Entkräftung und Krankheiten.

Mit dem 8. Mai 1945 endete für Löwenberg eine jahrelange Tortur. Wegen seines jüdischen Vaters, einem aktiven Sozialdemokraten und Gewerkschafter, kam er kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Konflikt mit den so genannten Rassegesetzen. Er musste seine Lehre abbrechen, erlebte 1938, wie die Synagogen brannten, jüdische Geschäfte geplündert und Menschen gejagt wurden. Alle seine jüdischen Verwandten wurden deportiert und kamen später in den Vernichtungslagern um.

In dieser Zeit »hat mich besonders mein Bruder Fred stark beeinflusst«, erzählt er. Als 17jähriger begann Martin Löwenberg gemeinsam mit seinem älteren Bruder heimlich Lebensmittelkarten an Zwangsarbeiter zu verteilen. Doch schon bald wurde sein Bruder verhaftet. Martin Löwenberg machte trotzdem weiter und landete 1944 selbst im KZ.

Nach der Befreiung begann sein zweites Leben. »Natürlich waren die Alltagssorgen direkt sehr bedrückend«, erzählt Löwenberg, »doch die Erleichterung über das Kriegsende überwog« – und das Gefühl, jetzt die Chance zum Aufbau einer neuen Gesellschaft nutzen zu wollen. Zunächst wurde er in Weißenfels in Sachsen-Anhalt Jugendbeauftragter des antifaschistischen Ausschusses. Er organisierte sowohl Ernteeinsätze und die Wiedereröffnung der Schulen, immer mit der Vision einer demokratischen Gesellschaft. Er wollte »den Schutt in den Herzen und in den Köpfen« wegräumen.

Noch heute schwärmt er von dieser Zeit. »Die ehemaligen Häftlinge waren die aktivsten beim Wiederaufbau. Wir hatten soviel Elan und Schwung – wir wollten ja ein anderes, ein besseres Deutschland gestalten.« Im Juni 1945 gründete er mit anderen die »Vereinigung der Verfolgten des Nazisregimes« (VVN) uns engagierte sich später bei der Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV).

1947 ging er nach Bayern, wo seine Mutter untergebracht war und ließ sich schließlich in München nieder. Auch im Westen blieb er politisch aktiv und wurde 1958 deshalb wieder inhaftiert. Wegen Mitgliedschaft in einer angeblichen Tarnorganisation der kurz zuvor verbotenen KPD verbringt er acht Monate in Einzelhaft in München-Stadelheim.

Doch auch davon ließ er sich nicht abschrecken. Das Ziel schien ihm nach dem Erlebten zu wichtig: ein radikaler Bruch mit der militaristischen Vergangenheit und der Aufbau einer neuen, demokratischen Gesellschaft. »Wir wollten die rassistische und antisemitische Ideologie bekämpfen. Wir wollten, dass die Militarisierung aus dem öffentlichen Leben verschwindet, aus den Ämtern und den Schulen. Dieser Kadavergehorsam, der so tief verwurzelt war bei den Deutschen.«

Bis heute hat Martin Löwenberg diesen Kampf um die Köpfe nie aufgegeben, obwohl er oft auch in seinem Bekanntenkreis auf Unverständnis stößt. So steht für ihn nie in Frage, dass der 8. Mai der Tag der Befreiung ist. Wie auch? Für ihn öffneten sich an diesem Tag buchstäblich die Tore zur Freiheit. Doch »wir waren eine Minderheit, die den 8. Mai als Befreiung Europas vom Faschismus angesehen haben.« Erst mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker 1985 änderte sich die Wahrnehmung dieses Datums.

»Diese Rede hat uns die Arbeit schon leichter gemacht«, erinnert sich Löwenberg und zitiert seinen Lieblingssatz aus Weizsäckers Ansprache: »Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.« Dass diese Gefahren nach wie vor präsent sind, erlebt der kämpferische Rentner öfter, als ihm lieb ist. So bei einem Infostand für die Doppelte Staatsbürgerschaft in München, wo »wir alten Leute darum kämpfen mussten, dass unser Transparent nicht von den wütenden Passanten zerrissen wurde«.

Als im November 2002 Neonazis durch die Münchner Innenstadt marschieren wollten, sagt der damals 77jährige auf einer Kundgebung: »Verhindern wir gemeinsam den Aufmarsch von alten und neuen Nazis.« Diesen Satz verstand das Amtsgericht als »öffentliche Aufforderung zur Straftat« und verurteilte Löwenberg zu einer Geldstrafe. Gegen einen der Organisatoren des Nazi-Aufmarsches ermittelte wenig später die Staatsanwaltschaft – er hatte einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung für ein neues jüdisches Gemeindezentrum in München geplant.

Wenn er heute überlegt, was aus den einstigen Visionen geworden ist, fällt Löwenbergs Urteil ernüchternd aus. »Wir haben uns damals nicht vorstellen können, dass es wieder soviel Rassismus geben würde, dass Neonazis wieder auf der Straße marschieren dürfen. Damals fanden wir es selbstverständlich, dass es kein Militär mehr in Deutschland geben wird. Und heute ist es selbstverständlich, dass wir wieder Kriege führen können.«

Doch den Kampf aufgeben, das kommt für Löwenberg nicht in Frage. Anfang April ruft er wieder zu einer Demonstration auf – gegen einen Nazi-Aufmarsch in München. »Nach meinem Aufruf sagten Bekannte zu mir: Du gibtst ja keine Ruhe – aber recht hast Du.« Unwillkürlich fragt man sich, woher Löwenberg seine Kraft nimmt und muss an den Sprung in die Elbe denken. Schon plant er den nächsten Termin: Den 8. Mai. Über die Frage, was da zu tun sei, muss er nicht lange nachdenken. »Da machen wir ein großes Fest«, erklärt er und lacht.


Am 12. Dezember 2004 bekam Martin Löwenberg die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen. »Stellvertretend für viele, die aktiv gegen das Naziregime gekämpft hatten«, heißt es in der Begründung, und die sich »weiter aktiv gegen Rassismus und Neonazismus engagieren«.


 

Internationale Liga für Menschenrechte verleiht die Carl-von-Ossietzky-Medaille 2004 an Percy MacLean sowie an Esther Bejarano, Peter Gingold, Martin Löwenberg

Quelle: Presseerklärung ILMR, 2004

Wie jedes Jahr verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte anlässlich des Tages der Menschenrechte im Dezember die Carl-von-Ossietzky-Medaille an Personen, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung der Menschen- und Bürgerrechte besonders verdient gemacht haben sowie an Menschen, die vorbildliche antifaschistische und antirassistische Arbeit leisten.

Das Kuratorium der Liga unter Vorsitz von Hilde Schramm hat die Carl-von-Ossietzky-Medaille in diesem Jahr folgenden Personen zuerkannt: Esther Bejarano, Peter Gingold und Martin Löwenberg, alle drei Verfolgte des Naziregimes und aktive Antifaschisten, sowie Percy MacLean, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Berlin. Alle vier Preisträger werden für ihren auf unterschiedliche Weise geführten politischen und rechtlichen Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Neonazismus in dieser Gesellschaft ausgezeichnet.

  • Percy MacLean (Berlin) soll für sein aufklärerisches Wirken und seine dem Antidiskriminierungsgebot verpflichtete justizielle Tätigkeit, insbesondere für politisch Verfolgte und Bürgerkriegsflüchtlinge, gewürdigt werden. Gerade in Flüchtlingsfragen setzte er mit seinem gesamten Engagement - oft genug gegen starke Widerstände aus Behörden und Politik - deutliche Akzente für einen umfassenden Menschenrechtsschutz. So hatte er sich als erster Direktor des neugegründeten "Deutschen Instituts für Menschenrechte" dafür eingesetzt, nicht allein Menschenrechtsverletzungen in aller Welt zu thematisieren, sondern auch die Menschenrechtssituation in Deutschland zu beleuchten - z.B. den Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern, rassistische Übergriffe und Diskriminierungen, Vollzug und Dauer der Abschiebehaft sowie die deutsche Abschiebepraxis. Den Schwerpunkt auf Menschenrechtsfragen im eigenen Land zu legen, war ihm wichtiger als das Amt: Nachdem man - unter Verletzung der von den Vereinten Nationen geforderten Unabhängigkeit des Instituts - in deutschlandspezifische Projekte eingegriffen und eine Schwerpunktsetzung im internationalen Bereich verlangt hatte, erklärte er seinen Rücktritt.
  • Esther Bejarano (Hamburg), Tochter einer jüdischen Familie, wurde 1943 nach Auschwitz-Birkenau verschleppt, wo sie dank ihrer musikalischen Fähigkeiten als Akkordeonspielerin im legendären Mädchenorchester des KZ überlebte. Später wird sie ins KZ Ravensbrück überstellt, wo sie Zwangsarbeit für den Siemens-Konzern verrichten muss. Ende April 1945 gelingt ihr die Flucht aus dem Todesmarsch. Nach der Befreiung ging sie nach Palästina und kehrte in den 60er Jahren aus Israel nach (West-)Deutschland zurück - in die Heimat der Mörder ihrer Familie. Sie tritt als Künstlerin und Zeitzeugin auf, klärt Menschen, insbesondere Jugendliche, über das NS-Regime sowie über neonazistische Strömungen in der Gegenwart auf. Die 79jährige kämpft bis heute gegen Rassismus und Neonazismus, mit Zivilcourage demonstriert sie gegen Rechtsradikale und ihre martialischen Aufmärsche.
  • Peter Gingold (Frankfurt/M.), aus Nazideutschland nach Frankreich entkommen, war aktiver Widerstandskämpfer gegen das Naziregime im besetzten Frankreich. Er wurde von der Gestapoverhaftet, für Wochen inhaftiert und gefoltert, bis ihm die Flucht gelang. Nach dem Krieg konnte er als ehemaliger Widerstandskämpfer und Kommunist in Deutschland nur schwer wieder Fuß fassen. Er und seine Familie mussten sechs lange Jahre um die Erlangung der bundesdeutschen Staatsbürgerschaft kämpfen - wegen "Zweifeln" an ihrem Bekenntnis zur "freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Deswegen wurde seine Tochter Silvia Mitte der 70er Jahre mit einem Berufsverbot belegt. Erst nach langen Prozessen und heftigen Protesten wird sie schließlich als Lehrerin im Schuldienst eingestellt, aber nie verbeamtet. Peter Gingold und seine Frau Ettie sind seit den 60er Jahren in der Friedensbewegung und der antifaschistischen Bewegung aktiv - entsprechend ihrer Lebensaufgabe, alles zu tun, "damit nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg von Deutschen ausgeht". Peter Gingold ist Bundessprecher der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA). Als Zeitzeuge ist der heute 88jährige vor allem bei jungen Menschen ein beliebter und angesehener Gesprächspartner.
  • Martin Löwenberg (München) hat Konzentrationslager und Zwangsarbeit überlebt. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der VVN. Aus politischen Gründen wurde er in der jungen Bundesrepublik verfolgt und verhaftet - wegen seines sozialistischen und antifaschistischen Engagements in einer Organisation, die vom Staatsschutz im Kalten Krieg als "Tarnorganisation" der verbotenen KPD eingestuft worden war. Zweimal stand er vor Gericht, zweimal wurde er zu jeweils 10 Monaten Haft verurteilt - allein wegen seiner gewaltlosen, linksoppositionellen Betätigung und Gesinnung. Im Jahre 2003 stand er wieder vor Gericht: Diesmal wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er dazu aufgerufen hatte, sich in München einem Aufmarsch von Alt- und Neonazis in den Weg zu stellen. Erst kürzlich ist seine Berufung verworfen worden, so dass der heute 79jährige für sein antifaschistisches Engagement rechtskräftig verurteilt ist. Die "Süddeutsche Zeitung" titelte: "Ex-KZ-Häftling wegen Nazi-Protest verurteilt".

Martin Löwenberg, Peter Gingold und Esther Bejarano stehen stellvertretend für zahllose andere,
  • die in der NS-Zeit aus rassischen und/oder politischen Gründen verfolgt worden waren,
  • die meist aktiv im Widerstand gegen das Naziregime gekämpft hatten,
  • die nach 1949 in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik wegen ihres antifaschistischen und sozialistischen Engagements, auch im Zuge der Kommunistenverfolgung, kriminalisiert und teils inhaftiert wurden,
  • die sich als Überlebende des Naziterrors oder ehemalige Widerstandskämpfer in der Bundesrepublik aktiv gegen Rassismus und Neonazismus engagiert haben und immer noch so engagieren,
  • die Mitglieder und Repräsentanten der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) sind. Ihre Organisation war 1947 von Überlebenden des NS-Terrorregimes als überparteiliche Vereinigung von Verfolgten und Antifaschisten gegründet worden. Von den 50er Jahren an bis heute wird die VVN vom Verfassungsschutz geheimdienstlich überwacht. Viele ihrer Mitglieder wurden von Entschädigungszahlungen für erlittene Verfolgung ausgeschlossen, zwei Jahrzehnte lang kriminalisiert und später auch mit Berufsverboten belegt.

Diese Menschen, die heute zwischen 79 und 88 Jahre alt sind, sollen für ihre jahrzehntelange antifaschistische Arbeit gewürdigt und geehrt werden, die sie - trotz langjähriger Kriminalisierung und Anfeindungen, trotz beruflicher und finanzieller Nachteile - mit hohem persönlichen Einsatz und Glaubwürdigkeit in der Bundesrepublik geleistet haben. Zusammen mit Percy MacLean werden sie für ihre Verdienste mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet.

Die Würdigung aller Preisträger/innen und die Verleihung der Ossietzky-Medaillen findet statt:

am Sonntag, 12. Dezember 2004, 11 Uhr,

im Haus der Kulturen der Welt, Berlin,
(Kongresshalle)
John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin-Tiergarten
(S-Bhf Unter den Linden - Bus 100)

 

 

"München leuchtet" für Martin Löwenberg.

Für vorbildliches politisches Engagement in Vergangenheit und Gegenwart erhält Martin Löwenberg die Medaille "München leuchtet" (Bildmitte).
Löwenberg war in der schlimmsten Zeit der deutschen Geschichte im Widerstand gegen Hitler aktiv. Bis zum heutigen Tag widmet sich Löwenberg seinem antifaschistichen Lebenswerk, zum Beispiel durch Diskussionen mit Schulklassen. Links im Bild Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker.